17.08.2017 OLG Frankfurt am Main - Für die Testierfähigkeit reichen lichte Momente des Erblassers im Allgemeinen nicht aus

Sachverhalt

Die Erblasserin litt seit vielen Jahren unter Wahnvorstellungen. Sie war verwitwet und hatte keine Kinder. Einem Brüderpaar gelang es, das Vertrauen der Erblasserin zu gewinnen. Diese verfasste daraufhin ein privatschriftliches Testament, in dem ein Großteil ihres Vermögens je zur Hälfte an das Brüderpaar gehen sollte. Das Nachlassgericht holte über die Frage der Testierfähigkeit ein Sachverständigengutachten ein. Der Gutachter kam zwar zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin testierunfähig gewesen sei. Gleichzeitig erklärte der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung jedoch, dass es möglich sei, dass die Erblasserin bei Abfassung des Testaments „einmal einen lichten Augenblick gehabt habe und klar erkannt habe, worum es gehe.“ Auf diese Aussage des Gutachters hin stellte das Nachlassgericht die Erteilung des von dem Brüderpaar beantragten Erbscheins in Aussicht. Gegen diesen Beschluss legten die Verwandten der Erblasserin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Und das Oberlandesgericht kassierte tatsächlich den Beschluss des Nachlassgerichts und kritisierte die Vorgehensweise des Ausgangsgerichts mit ungewöhnlich deutlichen Worten.

Entscheidungsgründe

Testierunfähigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn jemand, „der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln“ ein Testament verfasst. Es gebe „auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz.“ Die Vorgehensweise des Nachlassgerichts, den Erbscheinsantrag alleine mit Hinweis auf mögliche „lichte Momente“ der Erblasserin durchzuwinken, sei, so das OLG, jedenfalls nicht akzeptabel. Es sei bereits nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Sachverständige zu dieser Erkenntnis gekommen sei. Sobald nämlich, wofür im vorliegenden Fall nach Überzeugung des OLG deutliche Hinweise vorlagen, beim Erblasser „chronische psychopathologische Symptome bzw. Syndrome belegt seien, die Testierunfähigkeit bedingten, so seien kurzfristige (Stunden, Tage dauernde) "luzide Intervalle" mit Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit praktisch ausgeschlossen und als ernsthafte Möglichkeit im Sinne der Rechtsprechung nicht in Betracht zu ziehen.“

Fazit

Dem Urteil des OLG Frankfurt ist uneingeschränkt zuzustimmen. Wer sich auf das Vorliegen eines lichten Moments beruft, trägt hierfür die Beweislast, nicht umgekehrt.